Nun endlich landen unsere beiden Guides Goodluck und Livingston in der Schweiz. Sie sind sichtlich erleichtert, als sie uns erblicken. Obwohl ein Nachtflug, haben die beiden kein Auge zugetan während dem Flug. Sie hatten Angst, in Zürich nicht rechtzeitig aufzuwachen und den Ausstieg zu verpassen. Zum Glück getrauten sich die beiden, nach dem Ausgang und nach der Gepäckausgabe zu fragen, und jetzt beginnt ihr Schweizer Abenteuer. Eigentlich wäre ihr Aufenthalt schon im Dezember geplant gewesen. Als Überraschungsgäste waren die beiden an der Geburtstagsfeier von Bergführer Hans Rauner eingeladen gewesen. Hans hat den Kili zwanzig Mal bestiegen und wie viele Aktivferien Bergführer und auch ich die afrikanischen Guides ins Herz geschlossen. Am Kilimanjaro sind so viele Freundschaften fürs Leben entstanden. Das Abenteuer Schweiz mussten Goodi und Livingston aber mit viel Geduld erwarten, denn zuerst mussten wir für beide einen Pass und ein Visum beantragen. Goodi hatte bereits einen Pass, handgeschrieben und längst abgelaufen. Im Pass vermerkt war das Geburtsjahr 1958. Mir hatte Goodi zwar immer gesagt, er sei Jahrgang 1963, so wie ich. Anscheinend passte er sich jedem Bergführer an. Es war also eine Herausforderung, einen neuen Pass nach aktuellen Standards zu beantragen. Nachforschungen in der Kirche und der Schule von Marangu haben nun das Geburtsjahr 1966 ergeben. In Tanzania kann man sich also verjüngen…

Angekommen im Aktivferien Büro in Seuzach werden die beiden herzlich begrüsst. Es ist ein freudiges Wiedersehen, schliesslich haben fast alle im Team den Kili bestiegen und kennen die beiden. Goodluck kennt die Schweiz bereits aus früheren Besuchen, aber für Livingston ist alles neu. So machen wir eine erste Erkundungstour durch Seuzach. Für Livingston ist alles neu und er möchte alles wissen: Ob man das Wasser des Baches trinken könne, warum Hunde Kleider tragen, was es mit diesen roten (Abfall-) Säcken am Strassenrand auf sich habe. Auch im Haus interessiert die beiden alles, die Waschmaschine, Geschirrspülmaschine, die Heizung, der Kochherd, der Staubsauger, die Kaffeemaschine. Sie fragen, was die Kaffeemaschine ausser Kaffee denn alles noch so machen könne?

Nun gehen wir mit den beiden in die Kletterhalle 6a+ in Winterthur. Mit ihren Aktivferien Mützen werden sie von vielen Seiten erkannt und herzlich begrüsst. Nach einer kurzen Einführung geht es dann an die erste Wand. Goodluck kommt aus dem Staunen nicht heraus, er geht sehr vorsichtig an die Sache. Livingston ist da schon ehrgeiziger und schafft sogar die ganze Wand. Ihm macht es sichtlich Freude und er versteht sofort, dass hier sportliche Leute trainieren, dass es aber bei den Einen auch um aktive Erholung vom Alltag geht.

Am nächsten Tag geht es ins TCS Verkehrssicherheitszentrum Betzholz. Dort zeigt uns Ernst, auch er erfolgreicher Kili Besteiger, die ganze Anlage und den ganzen Fahrzeugpark. Goodluck und Livingston, beide können selber nicht einmal Rad fahren, dürfen sich ans Steuer des grossen Mercedes Lastwagen mit 500 PS setzen. Im Schritttempo fahren sie auf einer Linie im Kreis. Die Anspannung ist ihnen ins Gesicht geschrieben und Goodluck ist froh, das Steuer wieder abzugeben. Die Action, als Ernst mit diesem kraftvollen Fahrzeug schleudert, fasziniert die beiden. Goodluck kann nur immer wieder lachend den Kopf schütteln.

Andy Schäublin, Reiseleiter und x-facher Kilibesteiger, holt die beiden hier ab und organisiert das Programm für die nächsten Tage. Besser hätte das Timing nicht sein können, meterhoch liegt in Braunwald der frische Schnee. Eine Landschaft und ein Panorama wie im Bilderbuch. Mit Schneeschuhen ausgerüstet üben sie die ersten Schritte, bevor es auf den Sessellift geht. Von der Bergstation Gumen geht es dann, sicher und behutsam geführt von Andy und Irène, ins Ortstockhaus. Goodluck hat grossen Respekt und klebt förmlich an den Fersen von Andy. Wie vorher schon in der Kletterhalle und im TCS Center wird hier allen ganz bewusst, dass man Neues wagen und auch erreichen kann, wenn man gut eingeführt wird. So machen die Guides es ja auch am Kilimanjaro.

Ein paar Freunde sind ins Ortsstockhaus gekommen, um den Abend gemeinsam bei einem rassigen Fondue zu geniessen. Natürlich zeigen wir ihnen, wie das geht mit dem Brotmocken und dem kniffligen Drehen der Gabel. Nun denn, es ist wieder etwas Neues für sie, begeistert scheinen sie jedoch nicht wirklich zu sein. Aber schon nach dem ersten Versuch steht Hans Rauner auf und erzählt ganz kurz von seinen Erinnerungen in Tanzania. Immer sei der Reisegruppe zur Ehre am Schluss der Besteigung ein African Dessert serviert worden. Genau so ein Dessert möchte er seinen Gästen nun auch servieren. Wer meint, ein African Dessert sei etwas Süsses, nein, weit gefehlt! Hans kommt mit zwei Platten aus der Küche, auf jeder ein gekochter Ziegenkopf, schön dekoriert mit Salat und Peterli. Während uns der Atem stockt, strahlen die Augen von Goodluck und Livingston. Die Überraschung ist perfekt. Das Fondue überlassen sie uns und machen sich ans Werk. Fachmännisch zerlegen sie das gute Stück, machen kleine Häppchen, reichen den Teller herum und bieten allen ein Stück zum Probieren an. Wir lachen und schaudern zugleich, drehen uns ab und müssen doch immer wieder hinschauen. Unsere Afrikanischen Gäste lassen ausser den Knochen keine Resten übrig, oder heben diese für den nächsten Tag auf. Neben eindrücklichster Unterhaltung regt das auch unsere Gedanken an! So geht der Abend fröhlich weiter, bis alle müde in die gemütlichen Betten fallen.

Zuviel Schnee verhindert weitere Winterabenteuer. So zeigt Andy seinen Gästen in den nächsten Tagen die Heli Linth. Hier sehen Goodi und Livingston endlich so ein faszinierendes Fluggerät und dürfen sogar hineinsitzen. Während der Heli-Schulung in Tanzania mussten sie noch mit einem kleinen Auto als Anschauungsmittel vorlieb nehmen. Auch der Besuch einer Abfallentsorgung steht auf dem Programm und eine Degustation bei Schoggi Läderach. Tiere aus aller Welt können sie im Zoo Zürich beobachten. Schliesslich haben sie auch viele Tiere ihrer Heimat noch nie gesehen. Goodluck und Livingston sind überwältigt von all ihren Eindrücken, immer wieder zeigen sie uns ihre Freude und ihre Dankbarkeit. Selber formulieren sie es am Schluss der Reise kurz und bündig so: „Full of happy“!

Die Tage vergehen wie im Flug und leider geht auch diese Reise zu Ende.

Am Mittwoch verabschieden wir uns von unseren lieben Freunden und wünschen ihnen eine gute Heimreise. Ob sie sich wohl trauen, etwas zu schlafen im Flugzeug?

Herzlichen Dank an Andy und Irène, Hans und Maya und allen anderen, die zum guten Gelingen dieser Schweizer Reise beigetragen haben. Es war ein super Erlebnis, welches sie nie vergessen werden.

Hansruedi Büchi

 

 

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Eine Lebensfreundschaft am Kilimanjaro