In Kathmandu beginnt meine erste Nepal-Reise. Ich bin hier wegen der Berge und der Natur, aber zuerst sehe ich mir alles andere an. Ein herrliches Gewusel, hupender und chaotisch anmutender Verkehr, Rikschas, Outdoor-Läden und strahlender Sonnenschein prägen die Szenerie. Wir erkunden zuerst die Hauptstadt, bevor wir am nächsten Morgen mit dem Bus Richtung Phaplu aufbrechen. Nach einer langen, holprigen Fahrt geht es endlich zu Fuß weiter, bei schönstem Wetter und endlich dem Blick auf die ersten Berge. Ich bin schon mal überwältigt, und dabei ist das erst ein Vorgebirge, also ein Vorgeplänkel auf die ‘richtigen’ Giganten.

10 Tage Akklimatisation

Unser Ziel ist der Mera Peak, aber bis dahin haben wir noch fast 10 Tage Zeit. Unsere Tagesetappen verlaufen erst moderat ansteigend (und manchmal auch wieder runter) auf normalen Wanderwegen. Erst später werden die Wege steiniger, und die Rhododendren weichen alpenrosenähnlichen Büschen. Die Landschaft wird karger, aber nicht weniger schön. Langsam gewinnen wir an Höhe, und jeden Abend werden wir in den Teehäusern mit super Essen und einer immer wertvoller werdenden Bettflasche verwöhnt 😊. Wer schlüpft da nicht noch lieber in den Schlafsack? Den kalten Nächten folgen sonnige Tage mit tollen Landschaften. Petrus und andere Gottheiten sind uns sehr wohlgesinnt. Vielleicht auch, weil wir an Heiligtümern immer, wie hier im Himalaya üblich, links vorbeigehen.

In Tangnag auf gut 4.300 m ü. M. schlafen wir erstmals zwei Nächte hintereinander in derselben Lodge, und das Mera Peak Massiv ist endlich im Blickfeld. Der ‘freie’ Tag wird für Waschen, Sonnen, Aufladen der Solar-Panels, Jassen und kurze Wanderungen in die Höhe genutzt. Später am Nachmittag, wenn die Sonne hinter den Bergen verschwindet, versammeln wir uns wie gewohnt im Essensbereich um den Ofen – wortwörtlich der Place-to-be 😊. Durch ein schönes Tal geht es dann steiler nach oben nach Khare, dem Tor zum Mera Peak. Auf knapp 5.000 Metern steht da eine grosse Lodge mit Wintergarten-Lounge und Heizsystem im Bett. Wir trauen unseren Augen kaum… Am Nachmittag gibt es in der Lounge noch mitgebrachten Kräuterspeck – ein wahrer Schmaus (und ich kann nur jedem, der es auch liebt, empfehlen, ihn mitzunehmen!).

Wir erreichen das High Camp

Am nächsten Tag geht es dann los Richtung Mera Peak High Camp. Zuerst noch auf gerölligem Wanderweg, danach in Steigeisen. Der Einstieg fordert die Herzfrequenz gleich ordentlich mit einem steilen Stück Gletschereis. Aber sobald man dies erklommen hat, öffnet sich das Sichtfeld: Everest und Co. sind zu sehen, und mir bleibt erstmal (bzw. wiedermal) der Atem weg – wow! Weiter oben und etwas versteckt hinter einem Felszacken liegt dann das High Camp auf einer Terrasse mit herrlichem Ausblick – nochmals wow! Ich komme aus dem Staunen fast nicht mehr heraus. Aber nun heißt es Zelte beziehen, alles bereitlegen für den nächtlichen Gipfelsturm und die letzten Sonnenstrahlen noch etwas genießen. Um etwa 17.00 Uhr geht es dann ab in die Schlafsäcke. Das Essen wird uns in die Zelte serviert, und zur Überraschung aller zaubern unsere Guides Bettflaschen hervor – schon wieder ein wow-Erlebnis.

An dieser Stelle möchte ich unserem Guiding Team ein Kränzchen binden – nicht nur wegen der High Camp Bettflaschen 😊 – sie sorgen einfach immer und in allen Belangen wunderbar für uns, sind unterhaltsame und lustige Gesprächspartner. Top Job, danke! Aber zurück zur Bettflasche, mit so einer schläft es sich auf gut 5.800 m ü. M. im Zelt sehr gemütlich.

Der Gipfelsturm

Um etwa 2 Uhr gehen wir dann los. In der Nacht toben noch heftige Windböen, aber mittlerweile haben sie etwas nachgelassen. Gemächlich bewegen sich unsere Seilschaften unter dem klaren Sternenhimmel nach oben. Ich habe sogar Zeit, die Sternbilder und Planeten zu bewundern. Irgendwann setzt die Dämmerung mit einer atemberaubenden Farbenpracht ein. Später kommt dann die Sonne, was die gefühlte Temperatur zwar nicht unbedingt beeinflusst, aber gut für meine Seele ist. Und um 7 Uhr stehen wir dann auf dem windigen Gipfel des Mera Peak auf 6.476 m ü. M. Die Gebetsfahnen flattern heftig, und vor uns thronen die mächtigen 8.000er Cho Oyu, Everest, Lhotse und Makalu. Ich habe schon andere hohe Berge in Südamerika bestiegen, aber der Ausblick und das Gefühl hier sind anders – überwältigender und beeindruckender.

Lange lassen wir uns nicht Zeit für Umarmungen und Fotos, es ist eisig kalt. Also geht es schon wieder nach unten. Im High Camp legen wir eine kurze Pause ein, bevor es zurück nach Khare geht. Einen Tag später werden wir noch mit Fondue überrascht, das die Guides als Cheese-Soup ankündigen. Es gibt so viel, wir versorgen die ganze Lodge damit. Auch unsere Guides probieren, den Gesichtsausdrücken nach schmeckt es aber nicht allen 😉.

Namaste

Unser Trekking endet dann einige Tage später in Lukla, wo auch das Trägerfest stattfindet. Mit viel Musik, nicht weniger Bier und Khukri-Rum sowie Tanzeinlagen feiern wir ausgelassen das Trekking und uns. Der Rückflug über die spektakuläre wie berühmte Piste in Lukla ist ein weiteres Erlebnis, und zurück in Kathmandu freuen sich alle auf eine langersehnte Dusche.

Nepal mit seinen atemberaubenden Bergen, der Natur und den herzensguten und fröhlichen Menschen hat mich in seinen Bann gezogen. Danke an alle, dass ihr mein erstes, aber sicher nicht mein letztes Nepal-Abenteuer unvergesslich gemacht habt – Namaste.

Text: Michèle von Däniken

Bilder: Maja Bäbler

 

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Mera Peak – wie uns Nepal begeistert